Mein Angebot für die online-Beratung bei „Mein Arzt online“ gefällt so vielen Leuten, ich freu mich! Es kommen viel mehr Fragen und Wünsche als erwartet, das führt dazu, dass mir kaum Zeit bleibt für neue Beiträge hier. Da hab ich mir gedacht, ich greife eine ganz besondere Geschichte heraus (natürlich sind die persönlichen Details verändert). Damit man einmal sehen kann, wie die Zuckertante auf solche Fragestellungen eingeht.
Hier die Anfrage:
Hallo Zuckertante,
mein Name ist Gerold, ich bin 45 Jahre alt und ich habe seit 1998 Diabetes Typ 1. Das dachte ich zumindest…
Damals: vor einem auf den anderen Tag riesiger Durst, dauernder Harndrang, müde, schlapp – der Hausarzt hat mich gleich ins Spital geschickt, ich hatte damals 61 kg bei einer Größe von 172. Im Spital wurde ich eingestellt, hab alles Wichtige gelernt, hab dann mit Pen Basal und schnelles Insulin gespritzt und das hat auch recht gut funktioniert.
2 Jahre später: immer wieder starke Unterzuckerungen, Gewichtszunahme – 2001 war ich zur Diabetes-REHA und bekam dort eine Pumpe mit Humalog und bin gut eingestellt nach Hause gefahren.
Dann hab ich alleine mich weiter eingestellt, mit der Ambulanz hatte ich keine guten Erfahrungen.
Ungefähr 2010 fingen die Probleme wieder an: enorme Gewichtszunahme bis 125 kg heuer. Insulinverbrauch: 5 Einheiten pro BE und die waren oft nicht genug!
Ich hab mich zu einem Magenbypass entschlossen, im März 2017. Danach sank der Insulinverbrauch, aber es gab Probleme mit der Einstellung. Denn ich kann seither fast nichts essen, ich komme auf 4- 6 BE pro Tag, oft nur 2 EL Püree oder ¼ l Suppe, kein Hungergefühl – ich könnte gut aufs Essen vergessen.
Meine Hypo-Wahrnehmung ist ganz ganz schlecht, ich verbrauche enorm viele Notfallspritzen!
Nun bin ich wieder einmal im Krankenhaus gelandet.
In einem schweren Hypo, mit 21 mg%1 HbA1c 5,3
da hatte ich noch ca 24 iE Basal, 2 Humalog/Be
Entlassen wurde ich mit einer Basalrate von insgesamt nur 7 Einheiten,
pro BE soll ich 0,8 Einheiten Insulin spritzen.
Jetzt ist ein Arzt auf die Idee gekommen, dass ich vielleicht gar nicht Typ 1 habe? Und ich bin total verunsichert: was für Gründe könnte es geben, dass ich jetzt so wenig brauche? Gibt es so etwas? Kann aus Typ 1 Typ 2 werden? Oder umgekehrt? Und was würde das für die Therapie heissen?
Würde mich über eine Antwort sehr freuen, vielen Dank Gerold
Soweit die Frage. Nun könnte man sichs ja leicht machen: da ist einer reingeplumpst in den Teufelskreis aus „hohe Werte – mehr Insulin – wieder hohe Werte –ncoh mehr Insulin“ und hat sich so eine Insulinresistenz (Unempfindlichkeit auf Insulin) gezüchtet, was zu einer massiven Gewichtszuname geführt hat. Nach dem Magenbypass braucht er halt wieder nur so wenig Insulin wie ohne Resistenz… andererseits… komisch ist die Geschichte. Ich werde das nicht einfach so „von oben herab“ beantworten, sondern zuerst so nachfragen, wie ich das auch in der Ordination tue. Deshalb hier meine Antwort, da sieht man auch gut bis zu welchem Punkt allgemeine Empfehlungen gehen dürfen – konkrete Vorschläge zur Therapie darf ich nur bei Patienten machen, die ich persönlich kenne!
Hallo Gerold Spannend. Ihre Geschichte. Ich möchte meine Antwort in 2 Teile teilen: über die Diagnose und über die derzeitige Einstellung: 1. Die Diagnose: Hm. Sind am Anfang des Diabetes, wie Sie da mit den hohen Werten im Spital gelandet sind, sind da die Antikörper bestimmt worden? ICA GAD Insulin-Auto-Antikörper? Das könnte / sollte im damaligen Arztbrief stehen und wär wichtig. Darf ich fragen, welches Spital das war? Natürlich hat das mit dem schlagartigen Beginn, den sehr hohen Werten sehr nach Typ 1 ausgesehen. Aber: wenn Sie an 1996 zurück denken: haben Sie WIRKLICH vorher nichts gespürt? Nichts, von dem Sie jetzt im Nachhinein denken: „oh, das könnt schon ein Anzeichen gewesen sein?“ Sie konnten es ja nicht wissen und hätten leichtere Anzeichen leicht übersehen können. Wie war damals Ihre private/berufliche Situation? Gab es dramatische Erlebnisse, Monster-Stress? Waren Sie in den Wochen/Monaten vor der Diagnose eigentlich zu schnell müde und haben sich gedacht „Na klar, das kommt von der Hitze/Arbeit/dem Stress/dem Alter,…?“ Wie wars damals mit dem Gewicht – haben Sie vielleicht in den Monaten davor ein bisschen abgenommen, haben sich auf der Waage gefreut “das hätt ich jetzt nicht gedacht!“? Klar ist, dass es richtig war, bei den hohen Werten im Spital mit Insulin zu beginnen. Dann waren Sie in Aflenz. Dort ist viel Expertise – wurde dort die Diagnose überprüft (Labor!) oder in Frage gestellt? Dann die enorme Gewichtszunahme - und Sie haben immer mehr Insulin gespritzt – immer mehr zugenommen – immer mehr gespritzt usw. usw.… Da reden wir natürlich von Insulin-Resistenz, und die kann ein Typ 1 genau so entwickeln wie ein Typ 2. Haben Sie in dieser Zeit manchmal Fastentage probiert, konnten Sie damit, wenn auch nur kurz, Ihre Insulin-Menge verringern? Haben Sie die Basalrate überprüft, mit Basalraten-Tests? Dann der Magenbypass. Dass Sie dann viel weniger Insulin brauchen, weil die OP ganz stark gegen die Insulinresistenz wirkt, das ist klar. Also dass all das Insulin, das Sie vorher nur gegen die Resistenz verballert haben, jetzt überflüssig ist, ist auch klar. ABER: bei insulinpflichtigem Typ 1 sollte der Insulin-Bedarf zurück gehen nur bis zu der Menge, die Sie eben (fast) ohne Insulin-Resistenz brauchen. Das führt zu: 2. die jetzige Einstellung: Basal insgesamt 7 Einheiten in 24 Stunden, 0,8 / BE Und damit gibt’s noch imemr Hypos? Da wird’s interessant. Sie wissen, ich darf Ihnen, ohne Sie persönlich zu kennen, keine Vorschläge zur Behandlung machen. Allgemein kann und darf ich aber sagen: HbA1c 5,4 ist auf jeden Fall zu tief für jemanden, der Probleme mit Hypos hat. Dieser Jemand führt sich also ganz bestimmt zu viel Insulin zu. Die erste Frage ist jetzt: was ist zuviel – das Basal oder das BE-Insulin? Wann genau kommen die Hypos? Immer innerhalb ein paar Stunden nach dem Essen, bei Bewegung oder „einfach so“, „out of the blue“? Nachts? Haben Sie einen Sensor oder den Libre? Wenn Sie dran denken, sagen wir 12 Stunden lang nicht zu essen - was sagt Ihr Gespür? Hätten Sie Angst/ wären Sie sicher, dass der Zucker zu tief geht? Oder würde Ihnen das nichts ausmachen, weil Sie ja ohnehin kaum Hunger spüren? Wie schauts jetzt aus mit Basal-Tests? Das wären so die Fragen, mit denen ich eine Klärung Ihrer Fragen beginnen würde. Und ganz wichtig: wie sind Ihre Schilddrüsen-Werte? Gibt’s in den letzten Labors so was wie ein TSH (sollte oft dabei sein), besser noch TPO? Was meinen Sie? Liebe Grüße Susanne Pusarnig die Zuckertante
Soweit meine Antwort – was sagen Sie zu diesem „Fall“? Kennen Sie das, dass man durch immer mehr Insulin in die Insulin-Resistenz segelt, also in die Unempfindlicheit auf INsulin, so dass man immer mehr Insuln braucht … und immer mehr zunimmt… usw usw?